Der Jahrgang 2023

Gedanken und Einblicke aus Sicht des Winzers

 

Der Jahrgang war herausfordernd und zwischendurch auch zum verzweifeln. Begonnen hat alles mit einem sehr nassen und verregneten Frühjahr. 
Ende April bis Anfang Mai hatten wir praktisch Dauerregen bei milden Temperaturen. Die Eisheiligen blieben so glücklicherweise aus. 
Allerdings hatten die Pilzkrankheiten, allen voran die Peronospora, auch Falscher Mehltau genannt, ideale Bedingungen. 
Schon kurz nach dem Austrieb war teilweise massiver Befall festzustellen, wie ihn selbst die Lehranstalten noch nicht gekannt haben. 
Blätter waren befallen, Teilweise auch bis zu 25% der Gescheine, also das was nach der Blüte die Traube ergibt. 
Und da die jungen Triebe alle noch grün waren, sind auch zum Teil die Triebe befallen worden. 
Diese werden nun alle an der befallenen Stelle beim Biegen der Rebe abbrechen, wenn man sie beim Rebschnitt nicht schon erkannt und erst gar nicht als Bogrebe ausgewählt hat.

Auch schon mit dem Austrieb hat man in 2023 in vielen Anlagen sog. Zeigetriebe gefunden.
Hier überwintert der Echte Mehltau als Mycel in der Knospe und wächst sofort mit dem frisch austreibenden Trieb heraus und
sorgt mit enormen Sporenpotential für rasche Verbreitung.
Ab Mitte Mai hat das nasse Wetter aufgehört und ist in sehr warmes trockenes Wetter bis Ende Juli umgeschlagen.
Die Nächte waren immer kühl in 2023, wir hatten selten Nächte über 20 Grad und fast jeden Morgen waren die Pflanzen feucht vom Tau.
Die trockene Witterung hat zwar den Falschen Mehltau zum eintrocknen gebracht,
dafür fand nun der Echte Mehltau beste Bedingungen und es gab in vielen Anbaugebieten Weinberge mit Totalausfall.
Beim Echten Mehltau ist weniger der Pilz an sich das Problem, sondern die Folgeschäden die er verursacht.
Die kleinen Weinbeeren wachsen und werden größer, wie ein Luftballon, und irgendwann wird in der Reife der Zucker eingelagert.
Der Mehltau hingegen verhält sich gegenüber dem Luftballon wie Schmirgelpapier.
Das bedeutet, die Beerenhaut wird angekratzt und angeritzt, verliert an Flexibilität und Elastizität. Und wenn der Luftballon größer wird, platze er.
So zumindest mal bildlich gesprochen. 


Und genau das hat wunderbar zusammengepasst mit Beginn der Zuckereinlagerung ab Ende Juli bis Anfang August. Viele Niederschläge haben das ganze noch gefördert und so waren viele mehr oder weniger süße Beeren aufgeplatzt. Das lockt natürlich Insekten an.
Es war feucht warm. Die geplatzten Beerchen haben zum Teil angefangen wild zu gären, wobei auch viel Essigsäure entstehen kann.
Die Feuchtwarme Witterung war aber auch ideal für die Kirschessigfliege.
Eine Essigfliege, die erst seit wenigen Jahren aus Südostasien zu uns gekommen ist und leider auch geblieben ist.
Die Witterung förderte ihre Vermehrung und das verletzte Obst lockte Sie an.
Die Kirschessigfliege hat die Besonderheit, dass sie, anders als unsere heimischen Essigfliegen, ihre Eier mit einem Legestachel in unverletzte Beeren ablegt.
Mit dem Ablegen der Eier ist die Beere nun nicht mehr unverletzt und früher oder später beginnt auch hier die wilde Gärung und Essigsäurebildung.
Für uns Winzer der Spagat zwischen Abwarten der ordentlichen Reife und Eingrenzung des wirtschaftlichen Schadens.
Ohne den Jahrgang klein reden zu wollen, war aber manchmal die Strategie der zügige Ernte bei brauchbarer Qualität besser,
als Zuwarten auf etwas, das nicht kommen wird. 

Normalerweise ernten wir mit kleinen Unterbrechungen ca 5 Wochen lang.
Es ist ja nicht nur die Ernte der Trauben, sondern die weiteren Schritte nach der Ernte, damit aus den Trauben Wein wird.
Vieles davon läuft ja parallel zur Ernte. In 2023 hatten wir aber nur 3 Wochen Zeit zu ernten. 

So war in 2023 alles dabei, was uns herausgefordert hat.
Mit den üblichen Pflanzenschutzmitteln sind wir an eine Grenze gekommen. Das gaben zuletzt auch die herstellenden Konzerne bekannt.
Mit Pflanzenstärkungsmitteln, aber auch Backpulver und Löschkalk und viel Einsatz der ganzen Familie konnten wir den Befall etwas eindämmen und abmildern, aber unter diesen Wetterbedingungen nicht ausmerzen.

Im Herbst haben wir selektiv geerntet. Hier gilt nochmal unser Dank an alle, die bei der Weinlese geholfen haben.
Darunter waren auch ein paar treue Kunden aus und um Ulm herum.
Sie haben tapfer durchgehalten und manchmal habe ich mich schon gefragt, ob die nach diesem Erlebnis überhaupt meinen Wein noch trinken wollen?
Der Aufwand war riesig, die einzelnen Beeren an der Traube zu finden, auszusortieren und dennoch einigermaßen mit den vielen anderen Helfern und auch Problemen in den weiteren Weinbergen mitzuhalten.

Die Mühe hat sich dennoch gelohnt!

Von vielen Rotweinsorten haben wir die meisten etwas früher geerntet.
So gibt es gekonnte Rosés oder weißgekelterte Weine, und das ist besser als gewollte Rotweine, denen es an der nötigen Reife fehlt.

Die Weißweine sind überwiegend sehr gut geworden.
Hier haben wir das Glück, dass die Kirschessigfliege auf Rot und Blau steht und die weißen, sprich gelben Früchte so gut wie links liegen lässt.

Mitte Januar haben wir die ersten beiden 2023 abgefüllt. 

Einmal einen Blanc de Noirs und einmal einen Rosé.
Beide Weine sind in der Literflasche und bieten durchaus Trinkspaß, auch wenn man das nach den ganzen Schilderungen nicht so recht glauben will.

So will ich nun animieren, diese Weine zu probieren. Wir selbst haben schon probiert, denn wir schreiben ja immer auf unsere Rückenetiketten eine kleine Beschreibung dazu, wie uns der Wein schmeckt. So haben wir das auch an die Etiketten- Druckerei übermittelt. Dort sind die Etiketten in der Herstellung und sobald verfügbar, erscheinen diese Weine im Onlineshop und Weinverkauf.