Die Lage im deutschen, europäischen und weltweiten Weinbau ist angespannt. Das hat viele Gründe.
Zu Zeiten von Corona war ein kleiner Boom. Die Menschen hatten Zeit, die sie anders verbrachten als sie es gewohnt waren und so entdeckten viele auch den Wein für sich. Der Weinkauf für Zuhause legte zu, egal wo der Wein eingekauft wurde, ob beim Händler, Winzer oder Supermarkt. Natürlich kam er in dieser Zeit in den Restaurants und Lokalen nahezu zum Erliegen.
Kaum war jedoch Corona vorbei begann der Krieg in der Ukraine. Selbstverständliche Dinge wurden knapp und/ oder teuer. Sonnenblumenöl, Kraftstoffe und Energie, Glasflaschen und unzählige andere Dinge mehr. Manches hat sich wieder relativiert, aber auf einem höheren Niveau als früher. Für viele Menschen gehört Wein zu einem Lebensgefühl, zu einem Lifestyle, auf den sie nicht verzichten wollen. Andererseits ist es eben doch nur ein Bonus- Produkt und kein Lebensmittel – außer für den Winzer, denn der lebt ja davon, im Idealfall mehr vom Verkauf als vom eigenen Konsum.
So müssen viele Menschen mehr haushalten als zuvor und dann spart man sich vielleicht auch mal eine Flasche Wein. Das hört sich nicht viel an, aber bei einem Rückgang in den Discountern und Supermärkten von 20 bis 25 % seit den Jahren seit des Ukrainekrieges bleibt doch einiges an Wein in den Kellern liegen. Und die nächste Ernte steht bevor…
Auch der demographische Wandel ist spürbar. Die Generation, die Wein als tägliches Getränk verstanden und auch eingesetzt hat, wird zusehends weniger. Das ist überhaupt keine Kritik an genau denen, das ist einfach der Lauf der Zeit. Die folgende Generation trinkt auch gerne Wein, weniger, aber besser. Beruflich bedingt wegen Autofahrten zur oder während der Arbeit. Und natürlich auch, weil es höhere Qualitätsansprüche gibt.
Andere versuchen ein Leben ohne Alkohol. Wobei ich Alkohol und Wein nicht gleichsetzen will. Allerdings tut das die Politik, ganz gleich wie erwiesen gut ein moderater Weinkonsum der Gesundheit ist.
Und noch jüngere Generationen wollen gleich ganz ohne Alkohol auskommen. Das ist deren Lifestyle. Die Motivationen sind unterschiedlich. Bei den einen ist es die Einstellung dazu, bei anderen, wachsenden Bevölkerungsgruppen sind es religiöse oder kulturelle Gründe.
Das ist nicht wertend, das sind nur die feststellbaren Umstände.
Und so gibt es derzeit weltweit mehr Wein als Konsum.
Die Preise, die die Kellereien waren jahrelang konstant, was ja auch schon immer einen Verlust bedeutet, weil sie nie an die Inflation angepasst waren. Seit Corona sinken die Erzeugerpreise aber dramatisch und zeitgleich sind die Ausgaben für Betriebsmittel und die Herstellungskosten inclusive der Löhne drastisch gestiegen. Für viele Winzer, die ausschließlich an Kellereien oder Genossenschaften abgeben, bedeuten das jetzt schon Einkommensverluste von bis zu 40%. Wer mit offenen Augen durch die Landschaft geht, sieht, dass Weinberge nur noch im Minimalschnitt, wie Hecken, „bearbeitet“ werden. Um Kosten zu sparen. Die Qualität kann oft noch vertretbar sein.
Aber andererseits wird so oft genau die Art von Wein erzeugt, die der Markt nicht will und auch nicht braucht. Ein paar Zahlen: Große Badische Genossenschaften in der nördlichen Mitte Badens bezahlen für ein Kilo Trauben aktuell 17 Cent. Bei maximal möglichen Erntemengen von 9.000 bis 10.000 kg sind das höchstens 1700€ Einnahmen. Abzüglich Löhne und Nebenkosten für Mitarbeiter, Versicherungen, Abgaben an den deutschen Weinfonds, Kraftstoffe, Maschinenkosten, den eigenen Lohnansatz, Verzinsung und Abschreibungen, Pflanzenschutzmittel und Reparaturkosten uvm. Man muss nicht BWL studiert haben um zu sehen wo das hinführt. Und angenommen, das Ganze findet in traditionellen Hanglagen und nicht auf dem Acker statt, dann kommt man auch mit dem Doppelten oder dreifachen für ein Kilo Trauben nicht hin.
Andere Weinberge werden oft gleich ganz aufgegeben, vor allem da wo es zu steil ist, oder gute Erlösbedingungen fehlen. Die Lücken werden größer. Ein Teil kauft das Land und weiß nicht, wie es die übernommenen Flächen finanzieren und pflegen und sichern, z.B. vor einstürzenden Trockenmauern, soll. Zuviel Regulierung, zuviel Staat, zuwenig Verantwortung, keine Wertschöpfung, keine Wertschätzung, kein Miteinander.
Für uns als Weingut mit dem Anteil unserer Weinberge, die wir direkt an unsere Kunden vermarkten, also als Flaschenwein verkaufen, ist die Situation einigermaßen stabil. Wir erzeugen Qualität, die aber etwas kostet und auch kosten muss. Die Parzellen, die wir im bereits im Herbst an andere Organisationen abgeben, können bei sich fortsetzender Entwicklung, nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden.
Was Generationen aufgebaut haben, wird weniger werden. Es ging nicht nur unserer Branche besser, als auch in der Politik noch mehr Wein getrunken wurde. Was hatte unser Land mit seinen Dichtern, Denkern, Tüftlern und Politikern geleistet? Schiller, Goethe, Heuss, Kohl, Manfred Rommel, Oechsle und viele mehr.
Die Vielfalt wird zur Einfalt, die Inspiration wird im besten Fall zum Pragmatismus, im schlimmsten Fall zur Ideologie.
Unser kleines Dorf, unsere Heimat Schützingen, hat sich einst vom Wein einen bescheidenen Wohlstand leisten können. Das ist lange her. Und je mehr der Bezug zu den Produkten des täglichen Bedarfs verloren geht, desto weniger gibt es gewachsene Kreisläufe und desto mehr Abhängigkeiten wird es geben.
Noch ist es nicht soweit, aber das mögliche Szenario beschäftigt uns. Es ist ja nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung, eine Aufgabe, ein Lebenssinn, ein Schaffen, das auch folgenden Generationen eine Chance geben soll.
Wir sind mit Sicherheit auch gut in dem, was wir tun. Und wir denken, dass wir weiter mit Qualität in den sich verändernden Märkten bestehen werden.
Die wirtschaftliche Situation im Weinbau